zurück zum Dashboard

Zusatzinformationen: Monitoring Stand 07/2023



Eine im Herbst 2022 veröffentlichte Kurzstudie des Energiewirtschaftlichen Institutes an der Universität zu Köln (EWI) gGmbH mit dem Titel "Analyse der Versorgungssicherheit bis 2030 - Trends und Szenarien im deutschen Stromsektor" macht deutlich, dass im Falle eines Kohleausstiegs im Jahr 2030 in Extremwettersituationen zukünftig deutliche Stromlücken auftreten könnten, sollte der Ausbau von steuerbaren Kraftwerken, erneuerbare Energien (EE), Speichern und Übertragungsnetzen stocken. Ob der Kohleausstieg tatsächlich im Jahr 2030 vollzogen wird, ist aktuell nicht gesichert. In NRW sollen laut jüngster Vereinbarung der Bundesregierung und RWE jedoch im Jahr 2030 keine Kohlekraftwerke mehr am Netz sein (Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie). Teil der Vereinbarung ist auch ein Zubau von steuerbaren Kraftwerken in ausreichender, allerdings nicht spezifizierter Höhe. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich IHK NRW mit der Stromversorgungssicherheit in NRW.

Mithilfe des EWI-Kraftwerkeinsatzmodells "DIMENSIONX" wurde die Versorgungssicherheit in Deutschland im Szenario "Kohleausstieg in NRW 2030" quantifiziert. Dabei wurde der Zubau steuerbarer Kraftwerksleistung systematisch variiert und etwaige Versorgungslücken quantifiziert. Zusätzlich wurde der EE-Ausbau variiert, um den Einfluss der EE-Ausbaugeschwindigkeit zu ermitteln. Basierend auf diesen Ergebnissen wurde eine Lastflusssimulation mit dem EWI-Übertragungsnetzmodell "SPIDER" durchgeführt. So kann der Bedarf gesicherter Leistung regionalisiert werden und ein etwaiger zusätzlicher Bedarf an Kraftwerksleistung für den Redispatch abgeschätzt werden. Die Netzanalyse wurde anschließend für ein realistisches Zubau-Szenario durchgeführt. Basierend auf diesen Vorarbeiten ist das Bewertungs- und Monitoringsystem für die Versorgungssicherheit entwickelt worden.


Versorgungssicherheit für NRW 2030 - Was ist zu tun?


1) Vertrauen schaffen, Investitionen sichern

Das Vertrauen vieler Unternehmen in die Zukunft des Wirtschafts- und Industriestandorts steht auf der Kippe. Der Krieg in der Ukraine hat die Verletzlichkeit gezeigt. Steigende und stark schwankende Preise für Energie und Rohstoffe gefährden die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Planungssicherheit am Standort. Gleichzeitig haben sich an konkurrierenden Standorten, vor allem in den USA, die Bedingungen deutlich verbessert. Um das Vertrauen zurückzugewinnen, bedarf es einer belastbaren Strategie zur Sicherung der Energieversorgung mit fixierten und eindeutigen Konsequenzen, falls wichtige Kenngrößen und Ausbauziele nicht erreicht werden. Dies sollte die neue Energieversorgungsstrategie des Landes leisten.

2) IHK NRW startet Monitoring "Versorgung sichern 2030"

IHK NRW wird mit dem Monitoring "Versorgung sichern 2030" den Stand bei der Umsetzung der Energiewende anschaulich aufzeigen. Durch das transparente Monitoring können Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und verbindliche Maßnahmen entwickelt werden, die greifen, wenn die Ausbauziele absehbar nicht mehr erreicht werden können und somit die Versorgungssicherheit gefährdet wird.

3) Nur gesicherte Leistung schafft Sicherheit

Die zugrundeliegende Studie des EWI zeigt, dass sich im Jahr 2030 Versorgungssicherheit nicht allein mit erneuerbaren Energien und Batteriespeichern sichergestellt werden kann. Erforderlich sind in NRW weitere Kapazitäten gesicherter Leistung in der Höhe von zusätzlich bis zu 7,6 GW, wenn die erneuerbaren Energien witterungsbedingt nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Diese Kapazitäten müssen in NRW bis zum Jahr 2030 aufgebaut sein, wenn der bundesweite Ausstieg aus der Kohleverstromung vollzogen werden soll. Dieses Ziel erfordert sofortiges Handeln, da die Planung, Genehmigung und der Bau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken im Schnitt 4 bis 7 Jahre dauern oder alternative Spitzenlastkraftwerke eingeplant werden müssen.


Mit dem Bau muss demnach zu Jahresbeginn 2024 begonnen werden. Allerdings fehlen derzeit wirtschaftliche Anreize zum Bau dieser Kapazitäten, ebenso wie eine langfristige Perspektive zur Marktintegration. Schon jetzt sollte die Landesregierung daher mit Alternativplanungen beginnen. Dazu gehört auch eine Prüfung der Voraussetzungen, wie die bestehenden Kapazitäten von Kohlekraftwerken länger genutzt werden können. Zusätzlich sollte die Landesregierung NRW sich auf Europa- und Bundesebene für verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen einsetzen. Um den Aufbau zu beschleunigen, sollte die Landesregierung in NRW konkrete Standorte für die erforderlichen Gaskraftwerke identifizieren und so weit wie möglich vorentwicklen, inkl. der notwendigen Leistungsinfrastruktur.


4) Ausbau erneuerbarer Energien, Speicher und Netze

Wenn der geplante Zubau der erneuerbaren Energien und Speicher gelingt, kann bis 2030 die Dekarbonisierung des Energiesystems vorangetrieben und die Preisentwicklung stabilisiert werden. Allerdings muss der Zubau deutlich schneller erfolgen. Bis 2023 wurden in NRW 7,5 GW PV und 6,8 GW Wind installiert. Um die notwendigen erneuerbaren Energien optimal zu verteilen, ist der Zubau von knapp 30 GW PV und rund 9 GW Wind in NRW erforderlich.


Aktuell dauert es durchschnittlich etwa 7 Jahre bis eine Windkraftanlage geplant, genehmigt und einsatzbereit ist (Fachagentur Wind, 2023). Deshalb stehen auch die Ausbauziele bei der Windenergie auf "Orange". Bundes- und Landesregierung haben zuletzt weitreichende Maßnahmenpakete auf den Weg gebracht, die den Zubau von Windenergie Onshore und Offshore deutlich beschleunigen können. Zentral wird, wie es in NRW gelingt, die mit der Novellierung des Landesentwicklungsplans (LEP) angestoßende Ausweisung von Vorranggebieten umzusetzen. Das hierfür erforderliche Änderungsverfahren des LEPs hat im Sommer 2023 begonnen. Eine Umsetzung in den Regionen muss schnellstmöglich erfolgen, damit der Ausbau auf zusätzlichen Flächen geplant werden kann.


Durch den LEP-Erlass "Erneuerbare Energien" sind insbesondere für die Errichtung von Freiflächen-PV-Anlagen Erleichterungen umgesetzt worden. Allerdings funktioniert die Umsetzung vor Ort in weiten Teilen noch nicht. Durch den "Sachlichen Teilplan erneuerbare Energien" sollen auch im LEP die Voraussetzungen für einen schnellen Ausbau verbessert werden. Hierbei darf es zu keinen Verzögerungen kommen. Denn der Ausbaubedarf insbesondere bei Freiflächenanlagen ist enorm. Bisher entfallen darauf lediglich 0,4 GW. Allein für Freiflächen-PV werden hierfür zusätzlich etwa 12.000 ha benötigt (eigene Berechnung). Daher sollten alle Flächenpotenziale inkl. Floating- und Agri-PV geprüft werden.


In den nächsten Jahren wird der Beitrag von großen Batteriespeichern für die Versorgungssicherheit nur eine untergeordnete Rolle spielen, weil die Ausspeicherleistung nur kurze Zeiträume überbrücken kann und eine Wiederaufladung in den kritischen Zeiträumen nicht möglich ist. Für kurzfristige Schwankungen ist bis 2030 dennoch bereits der Ausbau von Speichern mit einer Leistung von 2 GW in NRW erforderlich. Für die notwendige Nutzung von felxiblen Lasten in Unternehmen, die als Speicher dienen können, muss in den nächsten Jahren ein regulatorischer Rahmen entwickelt werden, damit Unternhmen ihre Prozesse, wo möglich, anpassen können.


Die Genehmigungen und Planfeststellungsverfahren für den Ausbau der Übertragungsnetze liegen im Soll. Allerdings dürfen beim Bau jetzt keine Verzögerungen mehr auftreten, ansonsten drohen Versorgungslücken und kurzfristig weiter stark steigende Redispatch-Kosten.


Der Aus- und Aufbau von erneuerbaren Energien, Wärmepumpen und E-Mobilität muss auch mit dem Ausbau der regionalen Verteilnetze synchronisiert werden. Derzeit fehlen vielerorts noch eine übergreifende Koordination sowie die Finanzierung für die Verteilnetze.


5) Planbare und wettbewerbsfähige Preise

Hohe Energiepreise erschweren die notwendigen Investitionen. Deindustralisierung ist die Folge mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, Wertschöpung und Innovationen. Daher sind die Instrumente notwendig, welche die Wirtschaft kurz- bis mittelfristig vor zu hohen Energiekosten schützen und die Transformation in NRW ermöglichen.


Zum Jahresende 2023 laufen die Energiepreisbremsen aus, die die Bundesregierung im vergangenen Jahr als Reaktion auf die Preisschocks im Zuge des Ukraine-Kriegs auf den Weg gebracht hatte. Damit könnte zum Jahreswechsel ein erneuter Anstieg der Energiekosten drohen. Ob mit oder ohne Förderung: Die Preise liegen aktuell weit über denen an internationalen Wettbewerbsstandorten. Die Bundes- und Landesregierung haben das Problem erkannt und diskutieren derzeit unterschiedliche Modelle eines Industriestrompreises. Gemein ist diesen Modellen, dass sie nicht allen betroffenen Unternehmen helfen werden. Insbesondere der industrielle Mittelstand droht zu verlieren. Zeitnah sollte sichergestellt werden, dass alle Unternehmen mit wettbewerbsfähigen Preisen über den gesamten Transformationsprozess planen können. Hierzu bedarf es einer belastbaren Angebotspolitik und eines intensiven Monitorings der kurz- und mittelfrisitgen Preisentwicklungen bei allen Energieträgern in Relation zu anderen relevanten Wirtschafträumen.




Erstellt durch IHK NRW e.V., auf Basis der Ergebnisse der Studie "Versorgungssicherheit für NRW in 2030" des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) gGmbH.

Verantwortlich für den Inhalt:
IHK NRW - Die Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen e.V.
IHK NRW ist der Zusammenschluss der 16 Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen. IHK NRW vertritt die Gesamtheit der IHKs in NRW gegenüber der Landesregierung, dem Landtag sowie den für die Kammerarbeit wichtigen Behörden und Organisationen.

Berliner Allee 12 | 40212 Düsseldorf
info@ihk-nrw.de | www.ihk-nrw.de
Präsident: Ralf Stoffels
Hauptgeschäftsführer: Dr. Ralf Mittelstädt 

Stand 07/2023















































Zur Studie "Versorgungssicherheit für NRW 2030" des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) gGmbH: